Thursday, 18th April 2024
18 April 2024

Rainer Bock: Das ist der Deutsche, der in der Netflix-Serie „Better Call Saul“ ein Meth-Labor baut

Bei der dritten Staffel der beliebten Netflix-Serie dürften viele deutsche Fans überrascht aufgemerkt haben, als sie plötzlich einen deutschen Schauspieler auf dem Bildschirm sahen – und zwar einen, der die Rolle des Architekten Werner Ziegler wunderbar authentisch spielt.

Rainer Bock in „Better Call Saul“ neben „Mike“ Jonathan Banks

Wer gern Serien schaut, sei es auf Netflix oder Amazon Prime, begegnet dort selten deutschen Schauspielern. Abgesehen natürlich von den wenigen dort vertretenen deutschen Serien wie „Dark“. Deshalb dürfte der ein oder andere ziemlich überrascht gewesen sein, als in der beliebten Serie „Better Call Saul“, einem seit 2015 sehr erfolgreich laufenden Spin-off von „Breaking Bad“, plötzlich der deutsche Architekt Werner Ziegler mit seinem Team auftauchte.

Ziegler und seine Crew lieben Bier und Fußballgucken, laufen gern mal im BVB-Trikot durchs Bild und unterhalten sich auch im Original viel auf Deutsch, während sie für den Unterweltboss Gus Fring (Giancarlo Esposito) ein unterirdisches Meth-Labor bauen. Am Ende der dritten Staffel der Serie hat man als Zuschauer ein großes Herz für den freundlich-pragmatischen Werner Ziegler entwickelt. Im stern-Interview spricht Schauspieler

Rainer Bock, 64, über diese ungewöhnliche Rolle.

Herr Bock, wie fühlt es sich an, plötzlich einer der relevantesten deutschen Schauspieler für eine Zielgruppe zu sein, die gar kein lineares

Fernsehen mehr schaut?

Mit solchen Fragen beschäftige ich mich gar nicht groß. Aber eines stimmt: Wir kriegen wenig Feedback, anders als am Theater. Wenn ich mal angesprochen werde, dann meist von Menschen, die so zwischen 55 und 75 Jahren alt sind. Aber neulich, das war am Hauptbahnhof in

Berlin, hat mich ein junger Mann angesprochen, der vielleicht 25 war, halblange Haare, praktisch genau die Zielgruppe, und er fragte: „Haben Sie nicht bei „Better Call Saul“ mitgespielt?“

Wie sind Sie denn an die Rolle des „Werner Ziegler“ gekommen?

Die Casterin, Sharon Bialy, hatte sich an die drei, vier relevanten deutschen Agenturen gewandt und um Vorschläge gebeten. So läuft sowas ab. Da werden pro Agentur aber nicht hundert, sondern eher zwei oder drei Vorschläge gemacht. Ich machte dann ein E-Casting mit, ich spielte also einige Szenen zu Hause und filmte mich dabei. Das hat netterweise mein Sohn mit mir gemacht. Und offenbar kam das gut an.

Wussten Sie direkt, dass Sie diese Rolle spielen wollen, oder gab es da Zweifel?

Nein, skeptisch war ich inhaltlich gar nicht. Aber ich habe aus einem anderen Grund gezögert: Ich bin ein wahnsinnig heimischer Mensch und drei Monate in Albuquerque – das hat mich nachdenken lassen. Da mein Sohn aber gerade sein Studium in Berlin beendet hatte, konnten er und meine Frau mitkommen. So war die Entscheidung letztlich viel einfacher und es war wirklich eine schöne Zeit.

Als einer von wenigen deutschen Schauspielern scheinen Sie bei amerikanischen Produzenten einen guten Stand zu haben. Sie waren bei „Inglorious Basterds“, „A Most Wanted Man“ oder „Homeland“ dabei. Wie erklären Sie sich das?

Konkurrenzdenken mag ich nicht. Aber eine Grundvoraussetzung ist sicher, dass ich passables Englisch kann und mich auch gut an einem englischsprachigen Set zurechtfinde. Zudem zieht vermutlich auch eine Arbeit die andere nach sich. Als ich mit Steven Spielberg „Warhorse“ drehte, erzählte er mir etwa, dass er mich im „Weißen Band“ gesehen hatte und den Film großartig fand. Wenn man das Glück hatte, in einem solchen Film mitzuwirken, haben einen gewisse Leute einfach auf dem Radar.

Rainer Bock mit Herbert Grönemeyer und Regisseur Anton Corbijn bei der Premiere von „A Most Wanted Man“

Hatten Sie „Better Call Saul“ oder „Breaking Bad“ vorher eigentlich gesehen?

Da legen Sie den Finger in die Wunde … nein, ich hatte beides nicht gesehen, ich bin gar kein großer Seriengucker. Obwohl mein Sohn mich immer schon auf „Breaking Bad“ hingewiesen hatte. Ich habe es dann nachgeholt, in einem Stück, als wir in Albuquerque angekommen waren. 62 Folgen in drei Wochen. Das war dann teils sehr skurril: Ich kam aus der Haustür, sah mich um und dachte: Ups, diese Location kennst du doch. Die hast du gerade noch auf dem Bildschirm gesehen!

Konnten Sie beim Dreh der Serie an den Dialogen oder den deutschen Charakteristiken der Figuren mitfeilen?

Sehr beschränkt, aber das war auch fast nicht nötig. Nur die deutschen Texte waren teils etwas papieren, da habe ich Verbesserungsvorschläge machen können, die auch angenommen wurden.

Wir unterscheidet sich die Arbeit an US-Serien von der an deutschen Serien?

Der Unterschied ist, dass man die Anwesenheit von Eitelkeit nicht spüren konnte. Du kannst Vorschläge machen, die auch angehört werden, und zwar aufmerksam und nicht nur mit einem halben Ohr. Zudem gibt es dort bei Serien ja diesen Traum von „Writers‘ Room“,  wo die Autoren sich monatelang mit den Storylines beschäftigen. Sie können deshalb sehr genau, flexibel und schnell sein. Das ist eine Tradition, die wir bei uns auch dringend umsetzen müssen. Bei uns ist der Einfluss der Redakteure sehr groß geworden – ich will ihnen gar nicht Qualität oder Wissen absprechen, aber Zuhören und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, das fehlt. Zusammenarbeiten, unabhängig von persönlichen Befindlichkeiten. 

Wie haben Sie sich beim Dreh der letzten Szene gefühlt? Das war ja sehr dramatisch.

Das war doch ziemlich berührend. Weil während der Dreharbeiten wirkliche Freundschaften entstanden sind, gerade zu Jonathan Banks, der den Mike spielt. Ich war mit meiner Familie noch acht Tage bei ihm zu Hause in Malibu eingeladen, da entstand schon eine echte Nähe und Herzlichkeit. Wir waren beim ersten Durchsprechen der Szene wirklich nah am Wasser gebaut – denn es war ja nicht nur meine letzte Szene, es war auch ein Abschied für uns. Und eine schöne Anekdote kann ich noch erzählen: Beim Dreh waren wir praktisch alleine in der Wüste. Aber um 10 Uhr tauchten plötzlich Bob Odenkirk, Rhea Seehorn, Patrick Fabian und Michael Mando – die Saul, Kim Wexler, Kims früheren Chef, und den Nacho spielen – am Set auf. Kim erzählte mir, dass sie zusammen beim Baseball gewesen waren, als jemand sagte, dass heute meine letzte Szene gefilmt wird. Und alle entschieden sich sofort, dass sie herkommen und das mit mir feiern müssen. Obwohl ich mit keinem von ihnen vorher eine gemeinsame Szene hatte.

Haben Sie noch Kontakt zu den Serienkollegen?

Oh ja, zu Jonathan Banks hab ich noch Kontakt, und auch zu zwei, drei anderen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Serienlandschaft in Deutschland?

Ich will mich da gar nicht groß zu äußern, sagen wir mal: Wir arbeiten dran. Es gibt sehr akzeptable Ergebnisse, aber wir müssen uns noch mehr Gedanken machen, wenn wir ein junges Publikum erreichen wollen. Die Generation, die etwa im Alter meines Sohnes ist, schaut ja fast gar kein Fernsehen mehr. 

Ihr nächstes Projekt ist ein Film namens „Atlas“. Worum geht es dabei?

Oh ja, der Film hatte am 24. Oktober seine Welturaufführung bei den Hofer Filmtagen. Es geht um einen 60-jährigen Ex-Gewichtheber, der jetzt als Möbelpacker arbeitet. Seine Familie ist seit 30 Jahren zerrüttet, seit er einen Tag mit Sohn verbracht hat, obwohl ihm eigentlich verboten war, ihn zu sehen. Als ihn daraufhin die Polizei erwartet, schlägt er zwei Beamte krankenhausreif. Alles, was ich jetzt beschreibe, wird man im Film aber nicht sehen. Es ist der Aufbau für alles, was dann passiert – und zwar beschafft ihm ein Bekannter falsche Papiere, bringt ihn in einem kleinen Apartment unter, damit er der Polizei entgeht. Er ist im Immobilienbusiness und sagt: So einen starken Typen wie dich kann ich brauchen, du kannst für mich arbeiten.

Bloß ist dieser Chef leider in mafiöse Organisationen verstrickt. In einem Haus, das renoviert und teuer weiterverkauft werden soll, lebt dann eines Tages eine junge Familie, die will einfach nicht ausziehen. So wird meine Figur dorthin geschickt – und er erkennt in dem jungen Mann seinen Sohn, den er viele Jahre nicht gesehen hat. Der erkennt ihn aber nicht. Jetzt steht vor der Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen. Gerade auch, weil er weiß, welche Methoden sein Chef in ähnlichen Fällen sonst anwendet. Kurz – es ist sicher kein Mainstream, aber ein wichtiger Film. Weil es um gleich zwei relevante Themen geht: Gentrifizierung und den Vater-Sohn-Konflikt.

„Better Call Saul“ ist auf Netflix zu sehen.

„Atlas“ soll 2019 in die Kinos kommen.

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