Tuesday, 19th March 2024
19 März 2024

Filmstart „Plötzlich Familie“: Dieser Film ist viel mehr als nur eine Geschichte

Eigentlich wollten die Wagners nur ein Kind adoptieren – und selbst dabei waren sie sich nicht ganz sicher. Und dann wurde es ein ganzes Paket: drei Geschwister inklusive eines eigensinnigen Teenagers. „Plötzlich Familie“ ist traurig, lustig und höchst empfehlenswert.

Pete (Mark Wahlberg) und Ellie Wagner (Rose Byrne) sind ein glückliches Ehepaar, dem eigentlich nichts im Leben fehlt. Bis ihm auffällt, dass es irgendwie vergessen hat, Kinder zu bekommen. Die Gründung einer eigenen Hausrenovierungs- und Einrichtungsfirma hat die beiden voll in Beschlag genommen. Aber sollen sie jetzt wirklich adoptieren? Das kann ja auch gehörig schiefgehen!

Achtung, Achtung!

Von dem nahezu verstörend klamaukigen Plakat sollte sich der geneigte Zuschauer nicht abschrecken lassen. Es wird dem Film in nichts gerecht.

Doch der Gedanke setzt sich fest. Nach einer einfühlsamen Beratung durch zwei Sozialarbeiterinnen, die verhindern wollen, dass Geschwister getrennt werden, trauen sie sich plötzlich sogar noch mehr zu: drei Kinder, von denen das älteste ein pubertierendes Mädchen ist. Den letzten Ausschlag zu der Entscheidung gab die eigene Familie, die bei einem Abendessen plötzlich offenbart, was sie von der Adoptionsidee hält: gar nichts! Um Eltern und Geschwistern zu beweisen, dass Kinder aus Heimen keine Monster sind, die selbst die Schuld an ihrem Schicksal tragen, ziehen die Wagners ihren Plan nun durch. Aus Mitgefühl für die Kinder, die immer wieder zwischen Heimen und Pflegefamilien hin und her wandern, belegen die beiden einen Kursus für werdende Adoptiveltern. Als Pete und Ellie dort ihren „Adoptionsführerschein“ bestanden haben, ziehen die drei schließlich ein. Und das Abenteuer beginnt.

„Realitätscheck“ fürs Drehbuch

Den großen Charme des Filmes machen mehrere Faktoren aus. Einer davon ist das Drehbuch, das Regisseur Sean Anders mit Co-Autor John Morris verfasst hat. Die Geschichte ist inspiriert von Anders’ eigener: Er hat mit seiner Frau drei Geschwister adoptiert und erfahren, was das bedeutet. Höhen, Tiefen, Traurigkeit und Freude. Die ganze Palette an Gefühlen. Um dem Film noch eine Prise mehr Brisanz hinzuzufügen, beschlossen die Autoren, der Familie auch einen Teenager „anzutun“. Ältere Kinder kommen für Adoptiveltern normalerweise kaum infrage. Aus mangelnder eigener Erfahrung wählten sie als Vorbild für die 15-jährige Lizzy (Isabela Moner) eine reale Figur, die heute 20-jährige Maraide Green. Ihr legten sie das Drehbuch zur Kontrolle vor.

„Sean Anders schickte mir das Drehbuch zu und bekam es mit meinen Anmerkungen zurück: Das würde nie passieren, jenes ergibt keinen Sinn usw.“, erklärt Green. Ihre realitätsnahen Korrekturen kann der Zuschauer spüren: Teenager Lizzy geriet nicht zur Slapstick-Besetzung eines Störfaktors, sondern zeigt das vielschichtige Agieren eines erwachsen werdenden Kindes, das bereits viel in seinem Leben mitgemacht hat, ganz wie Green selbst. „Ich war dreizehn, als ich adoptiert wurde“, erzählt sie über ihr eigenes Leben. „Bis dahin lebte ich die meiste Zeit in Heimen. Mit acht wurde ich meiner Mutter weggenommen, sie war drogensüchtig und ließ sich mit gewalttätigen Männern ein.“ Es folgten Unterbringungen in Heimen und verschiedenen Pflegefamilien, bis endlich die richtige Familie für sie auftauchte und Greens Leben eine Wendung nahm. „Endlich bekam ich Eltern, und vier Geschwister dazu. Inzwischen bin ich zwanzig und studiere an der UCLA.“

Beratung aus der echten Welt

Als Sozialarbeiterinnen arbeiten die impulsive Karen (Octavia Spencer) und die nüchterne Sharon (Tig Notaro) nach einer Art Yin-und-Yang-Prinzip, dem Naturell ihrer Figuren entsprechend, was oft einen Grund für feinen Humor schafft. Für das Basiswissen über die Arbeit der beiden sorgte jene Frau, die einst die Adoptivkinder des Regisseurs betreut hatte. Sie vermittelte den Autoren Kontakte zu Paaren, die adoptieren wollen, sowie zu Pflegekindern. So erhielten die beiden Einblick in die Sorgen und Nöte von Menschen, die plötzlich mit einem fremden Menschen zusammenleben, der Teil ihrer Familie werden soll. Und ebenso in die Herzen von Kindern, die gelernt haben, Rollen zu spielen. Sich einzufügen und zu funktionieren. Um dann doch irgendwann zu rebellieren. Im Film rührt die plattitüdenfreie Vielschichtigkeit zu Tränen und gepaart mit dem manchmal derben Humor wird daraus etwas, das viel vom echten Leben erzählt.

Am runden Tisch: Die Sozialarbeiterinnen Karen (Octavia Sencer, 2. v. l.) und Sharon (Tig Notaro 3. v. l.) erklären dem Ehepaar Wagner (Rose Byrne und Mark Wwahlberg), warum sie Geschwister bei Adoptionen nicht trennen möchten: Sie sind oft die einzige Konstante im Leben der Kinder.

Daher könnte man die Schauspieler kennen

Mark Wahlberg hat seine Qualifikation als Vater bereits in Sean Anders‘ „Daddy’s Home – ein Vater zu viel“ (2015) und „Daddy’s Home 2: Mehr Väter, mehr Probleme“ (2017) unter Beweis gestellt.

Die gebürtige Australierin Rose Byrne dürfte den meisten durch ihren Kinohit „Brautalarm“ (2011) oder die Nick-Hornby-Adaption „Juliet, Naked“ (2018) mit Ethan Hawke bekannt sein.

Teenager Lizzy ist mit der in Deutschland noch unbekannteren Isabella Moner besetzt. Die 17-Jährige kann bereits auf eine vielseitige Karriere zurückblicken. Als Zehnjährige stand sie schon auf der Theaterbühne und neben der Schauspielerei hat sie sich auch als Sängerin, Tänzerin und Songwriterin einen Namen gemacht.

Illuster und liebevoll sind auch die „kleineren“ Rollen besetzt.

Juan, den jüngeren, etwas weltfremden Bruder von Lizzy, spielt Gustavo Quiroz, den man als Vierjährigen in „Pain & Gain“ (2013) mit Mark Wahlberg oder in „Sunlight jr.“ (2013) mit Naomi Watts sehen konnte.

Das Küken der drei Geschwister ist Lita, die Julianna Gamiz spielt. Netflix-Liebhaber kennen sie vielleicht aus zwei Folgen von „Jane the Virgin“.

Octavia Spencer stellt die Sozialarbeiterin Karen dar und gehört zu Hollywoods Lieblingen, ihre sämtlichen Rollen aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Hervorzuheben ist jedoch ihre Rolle als Hausmädchen Minny in „The Help“ (2011), für die sie vom Oscar über den Golden Globe auch alle anderen wichtigen Filmpreise abräumte. Weitere Oscar-Nominierungen folgten 2017 und 2018.

Ihre Kollegin Sharon spielt Tig Notaro, die als Komikerin bekannt ist. Zuletzt begeisterte sie bei Amazon in „One Mississippi“ (2015–2017), einer autobiografisch angelehnten Serie, in der sie Autorin, Produzentin und Hauptdarstellerin zugleich war. Ihre Autobiografie „I’m just a person“ ist ein „New York Times“-Bestseller.

Den Joker unter den Rollen, Oma Sandy, verkörpert Margo Martindale. Sie findet mit ihrem natürlichen Zugang sofort einen Draht zu den Kindern. Die Schauspielerin steht seit 30 Jahren vor der Kamera und hat in Dutzenden von Filmen und TV-Serien mitgewirkt, zuletzt in dem Krimi „The Kitchen“, der im New Yorker Stadtteil Hell’s Kitchen spielt und Ende 2019 in die Kinos kommt.

Völlig überraschend taucht am Ende noch Joan Cusack als Mrs. Howard auf, eine vereinsamte Nachbarin, die ein wenig irre ist. Das wirkt so, als gäbe zum Hauptgericht noch einen Nachtisch. Cusack spielt seit 2017 in der TV-Serie „Eine Reihe betrüblicher Ereignisse“, die in Deutschland bei Netflix zu sehen ist. Ansonsten kennt man sie vielleicht aus „Die Braut, die sich nicht traut“, „Liebe auf Umwegen“ oder einem der unzähligen anderen Filme, in denen sie seit 1980 vor der Kamera steht.

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