Wednesday, 17th April 2024
17 April 2024

Zwist um Klinik-Pranger

Wenn sich Kliniken nicht an Qualitätsstandards halten, wird das jetzt öffentlich gemacht. Das schmeckt nicht allen Krankenhäusern. Vor allem nicht denen, deren Namen genannt werden.

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WIESBADEN – Vier Kliniken in Hessen haben jetzt einen Mängelbescheid zugesandt bekommen: Sie haben bei mindestens einem von elf überprüften Indikatoren nicht die erforderlichen Qualitätsstandards erfüllt. Grundlage für diese Mängelbescheide ist ein Gesetz vom Dezember 2016. Auf dessen Basis waren im vergangenen Jahr aus dem breiten Spektrum medizinischer Leistungen gynäkologische Operationen, Geburtshilfe und Mammachirurgie unter die Lupe genommen worden. Ergebnis: Am Diakonissen-Krankenhaus in Kassel waren zwei Frühgeburten zur Welt gebracht worden, ohne dass – wie erforderlich – ein Kinderarzt zugegen gewesen wäre. Die Asklepios-Klinik in Schwalmstadt benötigte ebenso wie die Lahn-Dill-Kliniken in Dillenburg mehr als 20 Minuten für einen Kaiserschnitt. Und im Alice-Hospital in Darmstadt war ein Fall von Brustkrebs nicht den Regeln entsprechend behandelt worden.

Bundesweit waren die Daten von 1084 Krankenhäusern ausgewertet worden, die gynäkologische Operationen, Geburtshilfe und Mammachirurgie anbieten. In Hessen waren es 77 Kliniken.

Die mit dem Gesetz verbundene Veröffentlichung der Prüfergebnisse ist bei Krankenhäusern auf Kritik gestoßen. Es sei „irreführend“, wenn von „unzureichender Qualität“ der betroffenen Kliniken gesprochen werde, so Rainer Greunke, Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft. Die Kliniken in Hessen behandelten 1,5 Millionen Patienten im Jahr. Nun würden vier Kliniken wegen Einzelfällen öffentlich angeprangert. Greunke stößt sich nicht an der Qualitätssicherung, die mit dem Gesetz verbunden ist. „Das machen wir seit 20 Jahren. Bei uns stößt der Umgang mit den Ergebnissen auf Kritik.“

Ähnlich äußert sich das Alice-Hospital in Darmstadt: Eine Abweichung bei einer einzigen Behandlung habe den Ausschlag gegeben. Dabei sei die beanstandete OP selbst erfolgreich gewesen. „Man fühlt sich schon gebrandmarkt“, so Geschäftsführer Marcus Fleischhauer. Das Management des Klinikums spricht von einer „schnellen Diffamierung“ und einer „reißerischen Diskussion“, die die Patienten eher verwirrt als aufklärt.

Auch Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) spricht von Einzelfällen, „denen offensiv begegnet wurde“. Die Kliniken hätten auf die Vorfälle reagiert.

Minister Grüttner steht zur Transparenz

So hat das Diakonissen-Krankenhaus in Kassel den fehlenden Kinderarzt damit entschuldigt, dass der Rettungsdienst die werdende Mutter in die Klinik gefahren habe, ohne auf die Frühgeburt hinzuweisen. In einem anderen Fall arbeitet der verantwortliche Arzt heute offenbar nicht mehr an dem Krankenhaus.

Anders als die Krankenhausgesellschaft verteidigt Minister Grüttner allerdings die öffentliche Nennung von Kliniken, an denen es zu einzelnen Qualitätsmängeln gekommen war: „Besser zu streng als zu lasch. Schließlich geht es um das Patientenwohl.“ Wiederholen sich in den folgenden Jahren ähnliche Fehler, droht der Klinik die Kündigung des Versorgungsauftrages für diese Station.

Schon allein die Tatsache, dass 2016 die elf Indikatoren beschlossen wurden, habe zu einer Qualitätsverbesserung geführt. Erst dadurch sei es überhaupt möglich geworden, solche Einzelfälle zu identifizieren. „Dafür hat sich Hessen eingesetzt, weil die Patientensicherheit im Mittelpunkt stehen muss.“ Eine derartige Systematik habe man schon seit Jahren gefordert. „Das ist der Anfang, wir werden diesen Weg fortsetzen.“

Grüttner weiter: „Als erstes Bundesland haben wir ein eigenes Referat für Qualität und Patientensicherheit eingerichtet.“ Hessen habe in seinem Krankenhausgesetz sogar festgelegt, dass die Qualitätsindikatoren aktiv für die Krankenhausplanung genutzt werden müssen.

Nun soll an der Systematik weiter gefeilt und weitere Indikatoren eingeführt werden. Denkbar ist aus Sicht des Sozialministeriums in Wiesbaden etwa, dass überprüft wird, ob ein Oberschenkelhalsbruch, wie empfohlen, schon in den ersten 48 Stunden operiert wird.

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