Saturday, 27th April 2024
27 April 2024

Was das Wormser Wahldebakel für die rheinland-pfälzische SPD bedeutet

CDU-Kandidat Adolf Kessel hat SPD-Amtsinhaber Michael Kissel bei der OB-Stichwahl in Worms mit 73,1 Prozent aus dem Amt gefegt. Welche Folgen hat das für die rheinland-pfälzische SPD?

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MAINZ/WORMS – In Mannschaftsstärke wollte die CDU-Landtagsfraktion nach Worms, um dem Kollegen Adolf Kessel zu helfen. Häuserwahlkampf für den Parteifreund. Doch dieser lehnte freundlich ab. Er habe im OB-Wahlkampf seinen Stil durchgezogen und wolle das beibehalten, ließ Kessel die Parlamentarier wissen. Der Erfolg gibt ihm recht: Am vergangenen Sonntag fegte Kessel (73,1 Prozent) den SPD-Amtsinhaber Michael Kissel (26,9 Prozent) bei der Stichwahl in Worms aus dem Amt (wir berichteten).

Selbst diejenigen Beobachter, die mit einer Niederlage des SPD-Oberbürgermeisters gerechnet hatten, rieben sich verdutzt die Augen: Was war denn das jetzt? Bei den Genossen in Mainz dürften die Alarmglocken schrillen. Rheinhessen als Synonym für Rot, eine Bastion der Sozialdemokratie über Jahrzehnte, die Zeiten scheinen vorbei.

Im vergangenen Jahr löste die Landtagsabgeordnete Dorothea Schäfer (CDU) den langjährigen Mainz-Binger Landrat Claus Schick (SPD) ab. Nachdem andere Kandidaten nicht genehm waren oder nicht antreten wollten, hatte die SPD dort den Staatssekretär Salvatore Barbaro ins Rennen geschickt. Doch der Honorarprofessor aus Nackenheim schaffte es nicht, die Herzen der Wähler im Landkreis zu erobern. Eine schwere Niederlage für die SPD. Schließlich erschütterte die Affäre um den Oppenheimer Bürgermeister und SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held die rheinhessische SPD bis ins Mark. Die Staatsanwaltschaft wirft Held vor, als Rathauschef Geld veruntreut zu haben. In Worms, so hört man, habe die Affäre keine Rolle gespielt. Förderlich war sie aber auch nicht.

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Friedrich Roeingh

Zwei Lehren: Kommentar von Friedrich Roeingh zur Abwahl des Wormser Oberbürgermeisters

Wird Rheinhessen schwarz?

Kissel, der im kommenden Jahr 64 Jahre alt wird, dürfte die Wahl selbst vergeigt haben – auch indem er die Stimmungslage verkannte. Dabei hätte mit Jens Guth ein jüngerer Nachfolger bereitgestanden. Das hat es in der Geschichte der Politik immer wieder gegeben: Man denke an Bernhard Vogel, der vor 30 Jahren als CDU-Landesvorsitzender spektakulär gestürzt wurde – und alle Warnzeichen im Vorfeld übersehen hatte. Wie ein Königspaar seien Kissel und seine Lebensgefährtin, die SPD-Landtagsabgeordnete Kathrin Anklam-Trapp, durch die Lande gezogen, hört man in der Partei. Zu royal für manchen bodenständigen Wormser. Auch habe Kissel viele Projekte angekündigt, aber nicht durchgezogen.

Das Kisselsche Schicksal droht dem Landrat im Kreis Alzey-Worms, Ernst Walter Görisch (69), nicht zu widerfahren. Dessen Amtszeit läuft 2020 aus; Görisch (SPD) hatte bereits angekündigt, nicht noch einmal anzutreten. Die CDU in Rheinland-Pfalz wittert Morgenluft. Wird Rheinhessen schwarz? Zumindest handelt es sich nicht um eine kurzfristige Entwicklung. So eroberte oder behauptete die CDU in den vergangenen Jahren viele Verbandsgemeinde-Rathäuser. So tiefrot, wie es mancher dachte, war Rheinhessen schon lange nicht mehr.

Selbst ein Wachwechsel in Mainz mit seinem populären OB Michael Ebling (SPD), der sich im Herbst 2019 zur Wiederwahl stellt, scheint nicht mehr gänzlich undenkbar. Erwische die CDU das richtige Momentum und stelle einen spannenden Kandidaten auf, dann sei durchaus was drin, hört man in der Parteizentrale.

„Wir sind hier eine vitale Partei“

Ohnehin kann die CDU Rheinland-Pfalz, zumindest kommunalpolitisch, vor Kraft kaum noch laufen. Nur noch zwei von 24 Landkreisen sind noch in SPD-Hand. Es gab einige spektakuläre Siege bei Landratswahlen, auch in der Pfalz. Anderseits machte die SPD bei den jüngsten Urwahlen wieder Boden gut. Ludwigshafen und Koblenz gingen an die Genossen, Speyer und Zweibrücken ebenso, Pirmasens wurde nur knapp von der CDU gewonnen. Erfolge, die sich auch der SPD-Landesverband auf seine Fahne schreibt. „In Worms gab es eine Wechselstimmung, die wir so nicht auf dem Schirm hatten“, erklärt SPD-Generalsekretär Daniel Stich.

Der Alzeyer Landtagsabgeordnete Heiko Sippel sagt mit Blick auf Worms, dass der Rückenwind aus Berlin gefehlt habe. Die SPD brauche nun eine Erneuerung auf allen Ebenen. Man wolle wissen, wie es inhaltlich weitergehe; auch personell. Für Alzey und Rheinhessen ist Sippel gar nicht bange. So würden sich auf den Listen für die Kommunalwahl 2019 viele junge Mitglieder befinden, auch viele Frauen. „Wir sind hier eine vitale Partei.“ Und wer weiß, vielleicht zieht die SPD ihre Lehren aus den jüngsten Debakeln.

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