Saturday, 18th May 2024
18 Mai 2024

Die E-Akte kommt: Digitalisierung der Justiz in vollem Gange

Neue Laptops statt Aktenberge. Das klassische Bild eines rheinland-pfälzischen Gerichts wird sich zukünftig radikal ändern. Was das für Richter, Staatsanwälte und Bürger bedeutet.

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MAINZ – Es ist nichts weniger als eine Revolution. Das sieht zumindest Justizminister Herbert Mertin (FDP) so. Was Mertin meint, ist die Einführung der elektronischen Akte (E-Akte) in rheinland-pfälzischen Gerichten und Staatsanwaltschaften. Bis spätestens 2026 muss der Umstellungsprozess abgeschlossen sein. Das will der Bundesgesetzgeber so. Für die Justizbehörden in den Ländern eine echte Herausforderung. Das zeigt alleine der Blick auf die Zahlen: In Rheinland-Pfalz stehen für die Jahre 2017 bis 2024 29,8 Millionen Euro für Sachkosten zur Verfügung. In Hessen sind es für die Jahre 2015 bis 2020 37 Millionen, die im Haushalt vorgesehen sind. Fest steht: Das klassische Bild eines Gerichts wird sich grundlegend wandeln.

Der Wachtmeister schiebt nämlich zukünftig keine mit Aktenordnern voll gepackten Wagen in den Gerichtssaal, sondern trägt die neuesten Laptops rein. Die Staatsanwältin, bislang mit gedrucktem Strafgesetzbuch und vielen Seiten Papier ausgestattet, liest ihre Anklageschrift vom handlichen Tablet vor. Und der Richter verkündet das Prozessurteil mit Blick auf seinen Flachbildschirm. Noch ist das in rheinland-pfälzischen Justizbehörden weitestgehend Zukunftsmusik. Doch in ein paar Jahren soll das alles Wirklichkeit sein. Von der Klageschrift über Schriftverkehr der Streitparteien und Protokollen bis hin zum Richterspruch – mit der E-Akte soll alles digital ablaufen – und die Papierstapel vom Schreibtisch aller Staatsanwälte und Richter verschwinden.

Die Umstellung auf voll elektronische Geschäftsabläufe soll nicht nur den Beamten und Behördenmitarbeitern ihre Arbeit erleichtern und effizienter machen – indem mehrere Bearbeiter gleichzeitig in der E-Akte arbeiten können und die Geschäftsstellen Schriftsätze nicht mehr suchen müssen, da sie gar nicht mehr im Umlauf sein sollen. Auch für Prozessbeteiligte sollen durch die kürzeren Wege schnellere Verfahren rausspringen.

300 Verfahren als E-Akte in Kaiserslautern angelegt

Beide Bundesländer arbeiten fleißig daran, die E-Akte einzuführen. Zurzeit laufen Pilotprojekte. In Rheinland-Pfalz sollen die Geschäftsabläufe bis Ende des Jahres 2024 voll elektronisch sein, heißt es aus dem Justizministerium. In neun Projektgruppen bereiten über 80 Mitarbeiter aus allen Ämtern und Bereichen der Gerichte und Staatsanwaltschaften den Einstieg in die digitale Arbeitswelt vor. In Hessen ruft man 2026 als Zieldatum aus.

In Rheinland-Pfalz hat man die Zivilkammern des Landgerichts Kaiserslautern als Pilotstandort ausgewählt, in Hessen das Pendant in Limburg. Für Kaiserslautern als Pilotstandort habe die zentrale Lage, die gute Erreichbarkeit und der „sehr gute bauliche und technische Zustand“ vor Ort gesprochen, teilt das Ministerium von Herbert Mertin mit. Zudem gebe es in der Pfalz eine leistungsfähige IT-Gruppe und gute Schulungsmöglichkeiten. Die braucht es auch, wenn die Mitarbeiter für die „Justiz 4.0“ fit gemacht werden sollen. In Hessen habe man sich aufgrund der guten Erfahrungen als Pilotbehörde sowie der repräsentativen Größe für Limburg entschieden, so das Ministerium von Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU).

Die Zwischenergebnisse aus der Arbeit bislang? Vielversprechend, teilen jedenfalls die beiden Administrationen mit. Auch aus Bad Kreuznach, das nach Kaiserslautern als Testsitz dran ist, gibt es positive Rückmeldungen zu den bisherigen Erfahrungen.

Am Landgericht Kaiserslautern habe man bis Anfang Oktober über 300 neue Verfahren als reine E-Akte angelegt. „Die Digitalisierung eingehender Papierschriftsätze funktioniert sehr gut.“ Kleinere technische Probleme? Gebe es zwar auch, die seien aber schnell behoben worden. Alles in allem böten die voll-elektronischen Abläufe große Chancen, so der Tenor.

Auch wenn die Rückmeldungen sich positiv anhören, bleiben viele Fragen offen. Die drängendste: Ist die E-Akte wirklich sicher? Kann tatsächlich gewährleistet werden, dass Dritte keinen Zugriff auf sensible Daten haben? Wird die Umstellung überall reibungslos bis 2026 gelingen? Und: Was passiert mit den Mitarbeitern, deren Arbeit durch die Digitalisierung wegfällt? Viele Fragen sind noch offen. Aber die „Revolution“, wie Justizminister Mertin die Umstellung nennt, hat begonnen.

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