Thursday, 21st March 2024
21 März 2024

Tinnitus-Mythen: Kann Stille den Ohren auch schaden?

Für Menschen mit Tinnitus ist es wichtig, sich akustisch abzulenken. Absolute Stille bewirkt das Gegenteil und verschlimmert das Ohrklingeln. (Quelle: borchee/Getty Images)

Es pfeift, piept oder rauscht im Ohr.  Ein Tinnitus kann für die Betroffenen sehr belastend sein. „Das kommt alles nur vom Stress“, sagen viele. Doch stimmt das wirklich? Und was ist dran an Aussagen wie „Tinnitus macht taub“ und „Stille tut den Ohren gut?“ Wir haben zehn populäre Tinnitus-Mythen unter die Lupe genommen. 

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Mythos Nr. 1: Tinnitus ist unheilbar

Diese Aussage ist falsch. Bei einem akutem  liegen die Chancen, dass die Töne im Ohr wieder verschwinden, sogar bei 80 Prozent. Doch auch ein chronischer Tinnitus hört bei circa 25 Prozent der Betroffenen innerhalb von fünf bis zehn Jahren wieder auf. Bei etwa 65 Prozent kommt es im Laufe der Zeit zu einer Gewöhnung an die Störgeräusche, so dass diese keine Belastung mehr darstellen.

Die Behandlungsmöglichkeiten bei Tinnitus sind vielfältig und richten sich nach der Art und der Schwere. Meist hat sich die Kombination verschiedener Behandlungsmethoden wie kognitiver Verhaltenstherapie, medikamentöser Behandlung mit Kortison, einer psychologischen Begleitung und akustischer Stimulationen bewährt. Jede Behandlung zielt darauf ab, vom Ohrgeräusch abzulenken.

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Mythos Nr. 2: Tinnitus ist eine Krankheit

Stimmt nicht. Der Begriff Tinnitus bezeichnet zunächst einmal nur Störgeräusche im Ohr. Diese können unterschiedliche Ursachen haben und sind nur Symptome von Störungen im Körper. Allerdings kann ein Tinnitus krankmachen. Es ist daher sehr wichtig, sich über Ursachen für die Ohrgeräusche klar zu werden und diese auszuschalten. 

Mythos Nr. 3: Die Ohrgeräusche sind reine Einbildung

Das kann man pauschal so nicht sagen. Grundsätzlich wird bei Tinnitus in subjektiven und objektiven Tinnitus unterschieden. Die objektive Form ist medizinisch messbar und kann über ein Stethoskop gehört werden. Es handelt sich hier um real existierende Strömungsgeräusche von Blutgefäßen, die durch Verengungen entstehen. Auch Zuckungen der Muskulatur im Mittelohr oder im Gaumen können Geräusche verursachen. Allerdings ist ein objektiver Tinnitus sehr selten. In den meisten Fällen (99 Prozent) gehen die Störgeräusche auf einen subjektiven Tinnitus zurück, der Phantomgeräusche auslöst. Diese werden nur von den Betroffenen selbst wahrgenommen.

Mythos Nr. 4: Tinnitus kommt von Stress

Das lässt sich pauschal so nicht sagen. Zwar gilt Stress als eine der Hauptursachen für Tinnitus, doch es gibt zahlreiche andere Auslöser für Störgeräusche im Ohr. Hierzu gehören vor allem Lärm und laute Musik auf Konzerten, aber auch über Kopfhörer. Sie machen nach Angaben des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte rund 30 Prozent aller subjektiven Tinnitus-Fälle aus.  Aber auch Entzündungen, Verknöcherungen im Ohr, Bluthochdruck, Nebenwirkungen von Medikamenten oder in seltenen Fällen ein Tumor können einen Tinnitus zur Folge haben. 

Mythos Nr. 5: Tinnitus und Hörsturz sind dasselbe

Stimmt nicht. Auch wenn es Zusammenhänge zwischen Tinnitus und Hörsturz gibt, können beide unabhängig voneinander aufreten. Allerdings ist Tinnitus ein häufiges Symptom, das in Folge eines Hörsturzes auftritt. Die mit einem Hörsturz verbundene Hörminderung verschwindet häufig wieder, doch es bleiben nicht selten Ohrgeräusche zurück. Übrigens: Mehr als die Hälfte aller Hörsturz-Fälle klingen spontan wieder ab, mithilfe ärztlicher Behandlung kommt es sogar in 90 Prozent aller Fälle zur Heilung. Damit geht auch meist der akute Tinnitus wieder weg. 

Mythos Nr. 6: Verspannungen können zu Tinnitus führen

In der Tat können Verspannungen im Nacken oder in den Kiefergelenken Störgeräusche im Ohr auslösen. Die Verspannungen verändern den Gefäßtonus im Bereich der Ohren. Ähnlich wirkt sich nächtliches Zähneknirschen, das oft stressbedingt ist, aus. Auch Verletzungen der Halswirbelsäule können Auslöser für das Rauschen im Ohr sein. 

Mythos Nr. 7: Menschen mit Tinnitus brauchen Stille

Das ist falsch. Menschen mit einem Tinnitus sollten zwar lautstarke Umgebungen meiden, absolute Stille ist jedoch Gift für sie. Ohne eine akustische Ablenkung konzentriert sich ihr Gehirn zu stark auf die Störgeräusche im Ohr.  Angenehme Klänge, Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher und Wellenrauschen bringen Entspannung und lenken die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung. Dadurch wird der Geräuschfilter im Gehirn gestärkt. Musik- und klangtherapeutische Programme, die über spezielle Tinnitus-Apps aufgerufen werden, können dabei helfen. 

Mythos Nr. 8: Von Tinnitus wird man taub

Diese Aussage ist nicht korrekt. Auch wenn ein Tinnitus und ein Hörverlust nebeneinander auftreten können, bedeutet das nicht, dass jeder Tinnituspatient schwerhörig oder gar taub wird. In vielen Fällen haben Schwerhörigkeit und Tinnitus jedoch dieselbe Ursache. Häufig liegt eine Schädigung der Sinneszellen im Innenohr zugrunde. Spezielle Hörgeräte können oft die Symptome von Tinnitus behandeln und gleichzeitig den Hörverlust korrigieren. 

Mythos Nr. 9: Alkohol kann zu Tinnitus führen

Das ist richtig. Alkoholkonsum kann nicht nur Tinnitus verursachen, sondern auch die Hörfähigkeit dauerhaft mindern. Forscher der Universität Ulm haben sowohl Vieltrinker als auch Gelegenheitstrinker getestet, indem sie das Hörzentrum im Gehirn untersuchten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Einnahme von Alkohol Tinnitus und Schwerhörigkeit verursachen kann. Der Grund: Alkohol schadet den empfindlichen Sinneshaarzellen im Innenohr und wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem, das auch bei der Entstehung von Tinnitus beteiligt ist.

Mythos Nr. 10: Bei Ohrensausen sofort zum Arzt!

Nur keine Panik. Störgeräusche im Ohr hat jeder einmal. So schnell wie sie gekommen sind, können sie auch wieder verschwinden. Bewahren Sie Ruhe und schlafen Sie sich erst einmal aus. Erst wenn das Rauschen länger als 24 Stunden anhält, sollten Sie einen HNO-Arzt aufsuchen. Anders ist es, wenn sie ein Knalltrauma haben, in dessen Folge es zu Ohrgeräuschen kommt, oder sich die Ohren taub anfühlen. Dann liegt ein medizinischer Notfall vor, der einer schnellen ärztlichen Abklärung bedarf.  

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