Friday, 26th April 2024
26 April 2024

EKD will Missbrauch besser aufarbeiten

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland will die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt vorantreiben. Betroffene kritisieren mit Blick auf einen entsprechenden Elf-Punkte-Plan fehle eine „notwendige Verbindlichkeit“.

Teil des Maßnahmenpakets seien unter anderem eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene sowie neue Studien zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs, teilte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bei ihrer Synodentagung in Würzburg mit. Demnach sind für die Umsetzung des von der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs vorgestellten Elf-Punkte-Plans für das kommende Jahr rund eine Million Euro vorgesehen.

Für die angekündigten Untersuchungen sollen laut Fehrs Wissenschaftler verschiedener Disziplinen „systemisch bedingte“ Risikofaktoren der evangelischen Kirche für sexualisierte Gewalt untersuchen. Dazu zählten etwa eine „unreflektierte Vermischung von Privatem und Dienstlichem“, unklare Zuständigkeiten in nicht-hierarchischen Strukturen, fehlende Instanzen für Beschwerden und auch „der innerfamiliäre Missbrauch im evangelischen Pfarrhaus“.

Geplant seien außerdem Studien zum sogenannten Dunkelfeld in evangelischer Kirche und Diakonie sowie eine Untersuchung über mögliche Strukturen, die Missbrauch begünstigen. Auch hierbei sollen die Erfahrungen Betroffener berücksichtigt werden. Bisher gibt die EKD die Zahl der ihr bekannten Fälle mit 479 an.

Diakonie will unabhängige Studie durchführen

Die Diakonie kündigte eine eigene Untersuchung an. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erklärte, Menschen, die den Einrichtungen der Diakonie ihre Kinder und Angehörigen anvertrauten, müssten Vertrauen zurückgewinnen können. „Die Situation eines Jugendlichen in einer sozialpädagogischen Betreuungseinrichtung ist eine ganz andere als die etwa im Konfirmationsunterricht, mit anderen Macht- und Abhängigkeitsfaktoren.“

Neben dem Umgang mit Missbrauch stand vor allem der Glaube junger Menschen im Zentrum der Synodentagung

In dem 11-Punkte-Plan der EKD ist auch eine Meldepflicht für kirchliche Mitarbeitende bei zureichenden Anhaltspunkten für Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt vorgesehen. Dazu sollen zentrale Meldestellen auch in den Landeskirchen eingerichtet werden, in denen es sie noch nicht gibt. Ebenfalls soll es künftig in allen 20 EKD-Gliedkirchen unabhängige Kommissionen geben, die Anerkennungsleistungen erarbeiten und gewähren.

Der Religionsbeauftragte der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, begrüßte die vorgeschlagenen Maßnahmen. „Es ist richtig und wichtig, dass die Kirche sich aktiv mit der individuellen und institutionellen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in den eigenen Reihen auseinandersetzt“, sagte von Notz der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Mit dem Elf-Punkte-Plan habe die Kirche einen konkreten Handlungsleitfaden vorgelegt, der die Aufarbeitung voranbringen solle und dabei auch die Betroffenen beteilige, fügte er hinzu. „Alle Institutionen sind aufgefordert, sich hier genau zu prüfen“, so von Notz.

Betroffenenrat fordert bundesweite Kampagne

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, mahnte eine zügige Aufarbeitung an. Der Betroffenenrat, der den Vorstoß grundsätzlich lobte, forderte eine Implementierung der in dem Bericht zugesagten Punkte. Bisher fehle eine „notwendige Verbindlichkeit“. Dies müsse möglichst schnell und klar nachgeholt werden. Zudem plädierte der Betroffenenrat für eine bundesweite Kampagne, die kommunizieren solle, dass die evangelische Kirche „aktiv auf Betroffene zugeht“.

Zum Abschluss ihrer Jahrestagung wollen die Synodalen am morgigen Mittwoch über den Haushalt 2019 beraten. Schwerpunktthema der viertägigen Beratungen des Kirchenparlaments war der Glaube junger Menschen, die die Kirche immer weniger erreicht. Im Eröffnungsgottesdienst warb der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm für eine Öffnung der Kirche für junge Menschen und deren Ideen. Diese bräuchten Platz und Vertrauen. In der Kirche dürften weder eine „normative Kraft der Grauhaarigen“ noch ein „bemühter Jugendkult“ vorherrschen. Auch der digitale Wandel und dessen Konsequenzen standen auf der Agenda.

Begleitet wurde die Jahrestagung von Protesten. Zum Synodenauftakt waren in Würzburg mehrere Hundert Menschen gegen den kirchlichen Sonderstatus im Arbeitsrecht auf die Straße gegangen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die zu dem Protest aufgerufen hatte, fordert für Diakonie-Mitarbeiter die gleichen Rechte, die für Mitarbeiter in weltlichen Wohlfahrtsbetrieben gelten, und dringt auf verbindliche Tarifverträge.

hk/mak (kna)

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