Friday, 19th April 2024
19 April 2024

Firmen befürchten den harten Brexit

Europas Wirtschaft bereitet sich auf den Brexit vor.

Laut einer Umfrage des britischen Industrieverbandes CBI planten mehr als jeder dritte der 236 befragten Konzerne, bis November Notfallmaßnahmen gegen die Brexit-Folgen zu ergreifen. Dazu gehörten Entlassungen und Anpassungen in den Lieferketten. Knapp ein Fünftel der Konzerne habe diese Maßnahmen bereits eingeleitet.

In einem Referendum hatte sich die britische Bevölkerung 2016 für den EU-Ausstieg Großbritanniens entschieden. Ende März 2019 tritt dieser Entschluss in Kraft. Bisher ist allerdings noch unklar, ob es einen Austrittsvertrag geben wird. Hauptstreitpunkt in den Verhandlungen ist nach wie vor die Frage der künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland. Auch die Gespräche der Staats- und Regierungschefs beim letzten EU-Gipfel-Treffen in Brüssel konnte den Stillstand der Brexit-Verhandlungen nicht auflösen.

Hamsterkäufe bei Unternehmen

Die britische Industrie sieht sich angesichts der politischen Lage zunehmend unter Druck und fordert von Premierministerin Theresa May Details über den Austritt bis Dezember. „Dass noch immer keine Einigung in Sicht ist, verunsichert Wirtschaft und Unternehmen“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe und stellvertretender Chefvolkswirt der Allianz.

Diese Unsicherheit hemmt das Wirtschaftswachstum. Volkswirte gehen beim britischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch von einem Zuwachs von 1,3% für 2018 und 1,2% für 2019 aus. Auch das britische Pfund steht unter Druck. Der Konsum vieler Briten geht daher ebenfalls zurück.

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„Am stärksten leiden jedoch die Unternehmen“, sagt Subran. Ihre Profitabilität und Gewinnmargen seien im Sog des Pfunds dahingeschmolzen, eine Besserung sei in den kommenden Monaten nicht in Sicht.

Das gilt insbesondere für Branchen, die stark vom Import abhängig sind: Automobil- und Chemiebranche, Maschinen- und Anlagenbau, Einzelhandel und Lebensmittelbranche. Viele Unternehmen greifen deshalb auf Hamsterkäufe zurück.

„Um mögliche Zölle, Verzögerungen oder gar Unterbrechungen der Lieferkette zu vermeiden, horten britische Unternehmen immer mehr Importwaren, die sie für ihre Produktion zwingend benötigen“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Auch Deutschland zählt zu den Brexit-Verlierern

Auch außerhalb Großbritanniens pocht die Wirtschaft auf Planungssicherheit. Die Unternehmen fürchten einen Chaos-Brexit, wenn wichtige Fragen ungeklärt bleiben. Ein „harter Ausstieg“ ohne eine vertraglich gesicherte Handelskooperation hätte massive Auswirkungen auf Europas Wirtschaft. Größter Verlierer wäre Großbritannien mit Exportverlusten mit 30 Milliarden Pfund.

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Aber auch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Belgien müssten bei ihren Exporten deutliche Einbußen hinnehmen. Während Deutschland 8 Milliarden Euro Exportverluste hätte, würden die Niederländer beim „harten Ausstieg“ voraussichtlich 4 Milliarden Euro an Exporten einbüßen, gefolgt von Frankreich und Belgien (je 3 Milliarden Euro).

Die Gefahr eines „harten Ausstiegs“ wurde auch beim jüngsten EU-Gipfel nicht ausgeräumt. Auch die deutsche Industrie ist deshalb alarmiert. „Nach unzähligen Verhandlungsrunden schauen wir mit Sorge auf den Fortgang der Brexit-Verhandlungen, schlimmer, wir schauen in diesen Wochen tatsächlich in den Abgrund“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, am Freitag.

Ein harter Brexit würde nach Ansicht Kempfs in Europa Zehntausende von Unternehmen und Hunderttausende von Arbeitnehmern auf beiden Seiten des Ärmelkanals in größte Schwierigkeiten bringen. Laut BDI bereiten sich deshalb viele Firmen darauf vor.

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„Angesichts der anhaltenden Diskussionen auf beiden Seiten wird es aber vermutlich eine Einigung auf den letzten Drücker geben“, sagt Subran. Ein solcher „Last-Minute-Deal“ im Januar 2019 könnte den Weg ebnen für eine Übergangsphase bis Ende 2020. Solange würde im Handel alles beim Alten bleiben. Zuletzt hatte die EU bereits angeboten, diese Übergangsphase um ein Jahr zu verlängern.

Nach dem EU-Gipfel vom 17. und 18. Oktober äußerten sich neben Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch die britische Premierministerin Theresa May und Bundeskanzlerin Angela Merkel optimistisch, dass sich die EU mit den Briten noch auf einen Austrittsvertrag einigen kann.

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