Friday, 19th April 2024
19 April 2024

Das Rätsel um verschwundene Briefe und Pakete

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Jahrelang war er treuer Post-Kunde. Jetzt sieht er sein Geschäft bedroht, weil Briefe nicht ankommen!

Manfred Rademacher (67) verkauft historische Ansichtskarten übers Internet (Preis pro Stück: 1,99 Euro bis 150 Euro). „40 Briefe sind mir bisher verloren gegangen. 300 bis 400 Euro hat mich das gekostet“, sagt der Rentner aus Wenden (Nordrhein-Westfalen). Seine Abnehmer: Sammler aus ganz Europa. Rund 2000 Briefe verschickt er im Jahr. Das Problem: Seit Anfang 2017 kommen immer weniger Sendungen (Standard, Einschreiben, Wertbrief) an.

▶︎ Rademachers Vorwurf an die Deutsche Post: „Systematischer und landesweiter Briefe-Klau“, gegen den der Konzern nichts unternehme. „Die sprechen immer nur von Einzelfällen und behandeln das Problem mit lauwarm formulierten Entschuldigungsschreiben.“ Jetzt will er seinen angemeldeten Online-Handel erstmal dichtmachen.

  • Über 20000 Euro sichergestellt

    Diebe klauen tausende Pakete und Briefe

    Vermissen Sie auch Zustellungen? Die Polizei im Sauerland hat sechs mutmaßliche Postdiebe festgenommen.

Für jeden Brief stelle er einen Nachforschungsauftrag, bringen tue das nichts. „Sie haben Recherchen angekündigt aber keiner meiner 40 Briefe ist je wieder aufgetaucht.“

▶︎ Auch Rademachers Sammlerfreund Tino Scheuner (54) aus Frankfurt/Oder ist sauer: „Im letzten Jahr sind 57 Briefe nicht bei mir angekommen. Das wird immer schlimmer!“

Die Deutsche Post verwies auf BILD-Nachfrage darauf, dass sie in Frankfurt/Oder die „präventiven Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen jüngst weiter verstärkt“ habe. „Wir möchten aber betonen, dass es sich hier um Schilderungen von Einzelfällen handelt, denen wir nachgehen. Ein strukturelles Problem ist nicht erkennbar“, teilte der Konzern mit. In NRW habe man „mutmaßliche Täter des Postdiebstahls“ ermittelt, die Polizei kümmere sich darum.

Beschwerde-Rekord

Alles bloß Einzelfälle? Wie groß ist der Post-Ärger in Deutschland wirklich?

▶︎ Ziemlich groß, wie BILD-Recherchen zeigen! 12 615 Beschwerden über die Zusteller liefen bei der Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr auf (2017: 6100) – das ist Rekord! Mehr als die Hälfte davon betreffen im Brief-Bereich die Deutsche Post.

Eine Sprecherin der Bundesnetzagentur zu BILD: „Verbraucher beschweren sich häufig über Zustellmängel, wie z.B. Zustellausfälle oder Falschzustellungen, über Verlust bzw. Beschädigung von Sendungen sowie lange Laufzeiten.“ Auch die geplante Portoerhöhung sei Thema.

Noch mehr genervte Kunden meldeten sich beim Post-Portal der Verbraucherzentrale. Wie BILD auf Nachfrage erfuhr, gingen dort 2018 insgesamt 20 183 Beschwerden über die Zusteller ein (5003 zu Briefen, 15 180 zu Paketen)!

▶︎ In knapp 14 Prozent der bei der Verbraucherzentrale gemeldeten Fälle ging der Brief sogar ganz verloren; bei den Paketen waren es gut neun Prozent (Erhebungszeitraum Februar bis Juli 2018).

Dass es dieses Jahr besser wird, ist übrigens eher unwahrscheinlich: Allein in den ersten zwei Monaten erreichten die Bundesnetzagentur etwa 2700 Beschwerden …

Verband wirft Post schlechte Arbeit vor

Laut Post- und Dienstleistungsverordnung muss die Post mindestens 80 Prozent der Briefe innerhalb Deutschlands am folgenden Werktag ausliefern, 95 Prozent müssen am übernächsten Tag da sein.

Der Verband der Großversender DVPT bezweifelt, dass die Geschäftspost vergleichbar schnell ankommt. Er wirft dem Bonner Konzern schlechte Arbeit vor. DVPT-Vorstand Klaus Gettwart spricht von „hunderttausenden Fällen unzugestellter Briefe“. Viele Unternehmen (Versicherungen, Banken) seien unzufrieden mit der Qualität und auch davon, wie der Konzern das Problem handhabt. Gettwart: „Die Post wiegelt die Beschwerden ab. Das Beschwerdemanagement ist unterirdisch.“

▶︎ Eine Laufzeitmessung soll jetzt klären, wie lange Firmenbriefe wirklich brauchen. 72 000 Testbriefe werden dazu ein Jahr lang verschickt. Die Deutsche Post ist davon wenig begeistert, sieht „keinen Bedarf“ für die Untersuchung. Gettwart schon: „Da scheint irgendwas nicht zu stimmen. Wir erwarten da mehr Transparenz.“

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