Thursday, 4th April 2024
4 April 2024

Nochmal Olympia in Deutschland? „Unbedingt!“

Moritz Fürste hat am Wochenende seine Hockey-Karriere beendet. Im Interview spricht er über die Elbphilharmonie, Fehler von Olympia – und ein falsches Sportverständnis in Deutschland.

Olympiasieger Moritz Fürste beendet mit 33 Jahren seine Hockey-Karriere

Herr Fürste, Sie sind mit Deutschland 2008 und 2012 Hockey-Olympiasieger geworden, Weltmeister 2006; die Liste der Erfolge lässt sich lange fortsetzen. Was bleibt Ihnen als schönste Erinnerung?

Man kann solche Titel nie miteinander vergleichen. Turniere haben immer ihre eigene Geschichte. Peking war unglaublich emotional. London waren die perfekten Spiele. Aber auch die Heim-WM 2006 steht in keinster Weise hintenan.

Und was bleibt als Enttäuschung?

Das Halbfinale in Rio haben wir uns, sagen wir mal, anders vorgestellt.

Da kam Deutschland mit Ihnen als Kapitän als Titelverteidiger und am Ende gab es Bronze – nur Bronze, wie es in der Wahrnehmung hieß.

Wir als Team waren doch am meisten enttäuscht. Es liegt in der Natur des Menschen, immer nach dem meisten zu streben. Aber Sie haben Recht – in Deutschland wird das im Sport mit Gold gleichgesetzt. Gold – und alles andere zählt nicht.

Was stört Sie daran?

Topleistungen spielen sich nicht nur auf dem Treppchen ab. Nehmen wir mal die Schwimmer 2012 als Beispiel. Ich bin mit Steffen Deibler befreundet. Der ist in London Vierter geworden, mit persönlicher Bestzeit. War also so gut wie nie zuvor. Und hat dafür auf die Mütze gekriegt. Da frage ich mich schon: Was wollt ihr eigentlich?

Fehlt den Menschen das Sportverständnis?

Das Wissen fehlt, ja.

Nach dem gescheiterten Olympia-Referendum in Hamburg um die Spiele 2024 haben Sie gesagt: „Der Sport in Deutschland ist tot.“ Das war trotzdem etwas arg fatalistisch ausgedrückt, oder?

Inhaltlich unterschreibe ich Ihnen das sofort wieder. Außer vielleicht für den Fußball. Wir haben viel Arbeit vor uns, wenn sich da mal wieder etwas positiv entwickeln soll.

Welche Fehler hat man bei der Bewerbung gemacht?

Hamburg ist in der Spitze in der öffentlichen Wahrnehmung keine Sportstadt mehr. Die Freezers sind weg, die Handballer sind weg. Jetzt ist auch noch der HSV abgestiegen. Dann sieht die Bevölkerung in den Nachrichten die Fifa, das IOC, mit all ihrer Macht und Korruption – und dann verkauft man Olympia als wirtschaftliches Großereignis. Das konnte nur schiefgehen.

Was meinen Sie konkret?

Die Emotion, all das was Sport und auch Olympia ausmacht, ist komplett hinten runtergefallen. Sport ist immer noch eine großartige Plattform, um Werte zu vermitteln. Vielleicht nicht als Funktionär, aber ganz sicher als Athlet und Athletin. Aber das hat man nicht vermittelt. Stattdessen ging es nur um Wirtschaftsfaktoren. Und dann fürchten Kritiker wegen Olympia eben explodierende Mietpreise – das haben wir, nebenbei bemerkt, jetzt auch ohne die Spiele geschafft. Und Leute führen die Elbphilharmonie vor, dass Hamburg Großprojekte nicht kann und alles zum finanziellen Desaster wird. Ich meine damit: Es war nie eine Entscheidung gegen den Sport. Aber sie hat sich nachhaltig auf ihn ausgewirkt.

Auch für die Familie: Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste hört auf

Menschen assoziieren sportliche Großereignisse also heute nur noch mit Kosten, Doping und Korruption. Die Ideale werden ausgeblendet, sagen Sie. Wie kann man das ändern?

Wie schon gesagt: Es geht um Wissen. Sportler und Verbände haben da eine Verantwortung genauso wie Medien und Politik. Und: Wir müssen schon bei den Kleinsten anfangen. Das wird Vereinen in Deutschland aber schwer gemacht: Die Schultage werden ja immer länger.

Warum ist das wichtig?

Pragmatisch für die Politik gesprochen: Wenn man mal überlegt, was die für Millionen Steuergelder im Gesundheitswesen sparen würde, wenn man das in den Sport steckt und Menschen von Grund auf wieder fitter macht. Aber für die Gesellschaft ist es ja viel mehr. Der Sport an sich, die Emotionen, das Zwischenmenschliche – das darf man nicht leichtfertig verschenken.

Braucht es dafür auch einen neuen Versuch einer deutschen Olympia-Bewerbung?

Unbedingt. Es bringt ja nichts, nur zu schimpfen, dass Spiele nur nach Russland oder China gehen – da kann man nur sagen: Macht es doch besser. Die Kosten sind für mich kein Argument, wenn man sieht wie sich Städte mit Olympia entwickeln. Wenn man Sydney sieht, London. Oder auch München 1972 – das hat die Stadt auf die Weltkarte gepackt! Um im übertragenen Sinn nochmal auf die Elbphilharmonie zurückzukommen: Die ist jetzt Hamburgs größtes Wahrzeichen, ein riesen Touristenmagnet – und nach den Kosten fragt heute keiner mehr.

Anfangen muss man bei den Kleinsten, sagen Sie. Sie haben selbst zwei Töchter. Sind die schon beim Hockeyklub angemeldet?

(Lacht.) Die beiden schaukeln im Moment lieber. Und die Kleine ist auch noch viel zu jung. Aber die Große mag gern Tanzen, auch Fußball findet sie mega cool. Überhaupt bin ich begeistert, wie sie im Verein unterwegs ist. Sie liebt die Tage im Klub, rennt dann mit den anderen Kindern herum, wenn wir ein Spiel haben. Genau so bin ich auch aufgewachsen. Und diese Frühvermittlung, das ist einfach wahnsinnig wichtig.

Sie haben am Sonntag Ihr letztes Spiel bestritten. Wie geht es jetzt weiter? Haben Sie schon einen Plan zum Abtrainieren?

Offen gestanden, hat das Abtrainieren schon in der Rückrunde begonnen. Familie und Freunde sind in den letzten Jahren zu kurz gekommen. Ich hänge am Montag den Schläger an den Nagel und das war’s. Ich mache einen klaren Cut – und ich freue mich sehr darauf.

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