Thursday, 25th April 2024
25 April 2024

Berlin präsentiert neuen Dokumentarfilm „Kroos“

Der Dokumentarfilm „Kroos“ zeigt die Widersprüche des Fußballers – auf und neben dem Platz. Am Montag steigt die Premiere mit dem Protagonisten in Berlin.

Im Fokus: Toni Kroos steht im Mittelpunkt eines neuen Dokumentarfilms.

Das erste Bild des Films: Toni Kroos steht an einem Edelstahl-Waschbecken. Das Wasser rauscht. In der einen Hand hält Kroos einen weißen Fußballschuh, in der anderen eine Bürste. Wow! Hier putzt der Weltstar seine Fußballschuhe noch selbst. Nicht weil er muss, sondern weil er will. „Ich verstehe jeden, der sagt, der hat se nicht alle“, sagt Kroos.

Nächste Einstellung: Länderspiel in Berlin, wenige Monate vor der Weltmeisterschaft in Russland. Der neue Tag ist gerade angebrochen, als Kroos den Interviewmarathon hinter sich gebracht hat und in einen Minivan steigt, der ihn vom Olympiastadion zum Flughafen bringen wird.

Auf den Straßen stauen sich die Autos, der Minivan rauscht an der Schlange vorbei, eine Polizeieskorte mit Blaulicht vorweg. Ob die für ihn sei, fragt Kroos – und lacht: „Wie der Staatspräsident hier.“ Der Wagen fährt aufs Rollfeld, wo der Privatjet schon wartet. Kroos fliegt noch über Nacht nach Hause zu seiner Familie, in diesem Fall nach Köln. Manchmal, so erzählt er, werde er gefragt, ob das nicht zu stressig sei.

Die ersten beiden Szenen markieren schon mal das Spannungsfeld, in dem sich Toni Kroos bewegt – und in dem sich auch der Dokumentarfilm bewegt, der seinen Namen („Kroos“) trägt.

Gemessen an seinen internationalen Titeln ist Toni Kroos, 29 Jahre alt, der erfolgreichste deutsche Fußballer der Geschichte. Matthias Sammer hält Kroos für „eine der größten Legenden, die der deutsche Fußball je hatte“. Und trotzdem wird er in seiner Heimat nicht wie ein Heiliger verehrt. Toni Kroos ist die Sphinx des internationalen Fußballs: Die einen verstehen einfach nicht, was man an ihm und seinem Spiel finden kann. Die anderen wiederum verstehen nicht, wie man das Spiel von Toni Kroos nicht verstehen kann.

Seine Liebhaber kommen im Film ausführlich zu Wort. „Er sieht alles“, sagt Jupp Heynckes, der Kroos als Trainer in Leverkusen und bei den Bayern entscheidend gefördert hat. „Ich liebe es, ihn trainieren zu sehen“, sagt Zinédine Zidane, einer der besten Fußballer der Geschichte und bei Real jetzt wieder sein Trainer. „Für mich ist er einer der Spieler, die geboren wurden, um für Real Madrid zu spielen“, sagt Florentino Perez, der Präsident des Klubs. „In den schwierigsten Momenten ist er der Mutigste von allen“, sagt Pep Guardiola. „Der Toni hat keine Angst, keine Nervosität, egal um was es geht“, sagt Bundestrainer Joachim Löw. Toni Kroos sagt: „Für mich ist es einfach Fußball.“

Das Timing des Films ist nicht perfekt

An Kroos scheiden sich die Geister: Für die einen ist er der Querpass-Toni, der den Ball verschleppt und das Spiel träge macht. Für die anderen ist er ein Genie, weil er zu den ganz wenigen gehört, die verstanden haben, was dieses Spiel im Inneren zusammenhält. Die spanischen Medien haben Kroos als „die beste Nachricht von Real in den vergangenen 4000 Jahren“ gefeiert, ihn aber auch als „unmögliche Schnarchnase“ verhöhnt.

Zwischen Sommer 2017 und Dezember 2018 hat das Team von Regisseur Manfred Oldenburg Kroos mit der Kamera begleitet. „Unser Ansatz war, dass wir die Kamera anmachen, wenn die anderen die Kameras ausschalten“, sagt er. Oder besser: wenn die anderen die Kameras ausschalten müssen.

Das Team hatte einen exklusiven Zugang zu Kroos und seiner Umgebung, es konnte auch mit Menschen sprechen, die in der Regel nicht zu sprechen sind: mit Pep Guardiola oder Robbie Williams, aber auch mit der kompletten Familie des Nationalspielers, mit seinen Eltern, seiner Frau, dem Bruder Felix und seinen Großeltern, die sich über „seine Stempel“ echauffieren, die vielen Tätowierungen auf seinem linken Arm. „Das weiß er aber, dass ich das doof finde“, sagt seine Oma.

In die Zeit der Dreharbeiten fallen der Champions-League-Sieg mit Real Madrid, der vierte insgesamt für Kroos, aber auch das unerwartete und beschämende Vorrundenaus der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland. Davon wurden auch die Filmemacher überrascht. Vor dem Achtelfinale wollten sie Kroos im Mannschaftshotel in Watutinki zum Interview treffen. Die gesamte Crew saß gerade im Flugzeug, als die Nachricht vom Ausscheiden der Deutschen die Runde macht. Nach der Ankunft in Moskau konnte sie nur noch die Abfahrt des deutschen Mannschaftsbusses zum Flughafen filmen.

Das Timing ist ohnehin nicht perfekt. Der Film kommt am 4. Juli in die Kinos, zu einem Zeitpunkt also, da Toni Kroos eben nicht mehr unantastbar scheint und allseits bewundert wird. Das Vorrundenaus bei der WM, ein Jahr ohne Titel mit Real, dazu der Umbruch in der Nationalmannschaft, der viele unverbrauchte Gesichter ins Team befördert hat. Braucht es Toni Kroos da überhaupt noch?

„Als wir mit dem Film anfingen, haben mich viele Bekannte gefragt, warum wir ausgerechnet einen Film über Toni machen, der in der öffentlichen Wahrnehmung als kühl, reserviert, langweilig wahrgenommen wird“, sagt Manfred Oldenburg, ein preisgekrönter Dokumentarfilmer.

Als Führungsspieler von Real Madrid ist Toni Kroos einer der größten Stars des Weltsports, und trotzdem lebt er mit seiner Familie das Leben eines Spießers; seine Frau erzählt, dass sie in vier Jahren noch kein einziges Mal in der Innenstadt von Madrid gewesen sei. Insofern war es wahrscheinlich tatsächlich ein Wagnis, einen Film mit und über Kroos zu machen. Aber letztlich sind es genau diese Widersprüche, die den Reiz der Dokumentation ausmachen.

„Kroos“ hat die besten Momente, wenn die Kontraste regelrecht aufeinanderprallen: Es regnet. Das Trainingsgelände von Real. Schnitt. Die Anlange des Greifswalder FC, Sechstligist aus Kroos‘ Heimatstadt, der von seinem Vater Roland trainiert wird. Schnitt. Gareth Bale schlägt aus vollem Lauf eine Flanke mit dem Außenrist. Schnitt.

Roland Kroos fragt einen seiner Spieler: „Hannes, muss du Freitag arbeiten?“ Am Ende der Saison feiern die Greifswalder mit Bier aus Plastikbechern den Aufstieg in die Oberliga, während Real nach dem Triumph in der Champions League noch in der Nacht mit einem Flugzeug voller Edelfans von Kiew zurück nach Madrid fliegt. „Ich weiß, dass ich in einer Welt lebe, die nicht normal ist“, sagt Toni Kroos.

Manchmal will „Kroos“ ein bisschen viel – das hängt möglicherweise auch mit all den prominenten Gesprächspartnern zusammen, die natürlich alle auch im Film zu Wort kommen müssen. Das Spiel von Toni Kroos ist jedenfalls strukturierter, als es die Dokumentation über ihn ist. Dass der Film trotzdem ein Gewinn ist, liegt auch an seinem Protagonisten. Toni Kroos lässt sich, wie auf dem Platz, nur schwer in Bedrängnis bringen.

Es ist bemerkenswert, wie ehrlich und doch gelassen er über seine Zeit bei den Bayern redet, die – man muss es so deutlich sagen – seine fußballerische Qualität nie wirklich zu schätzen wussten. Als Kroos seinen Vertrag bei den Münchnern ein letztes Mal verlängert, dauert es nur zehn Minuten, bis er diese Entscheidung schon wieder bereut. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Verein glücklich ist mit der Vertragsverlängerung, sondern eher das Gefühl, dass sie mir das Gefühl gegeben haben, dass ich jetzt aber glücklich zu sein habe“, sagt Toni Kroos.

Daran zerbricht im Frühjahr 2014 eine Beziehung, die vermutlich schon vom ersten Moment an zerbrechlich war. Kroos erhält von den Bayern nicht die Wertschätzung, die er selbst als angemessen empfindet. Als Bayerns Vereinspräsident Uli Hoeneß ihm bei den Verhandlungen um einen neuen Vertrag ein letztes Angebot unterbreitet, sagt Toni Kroos: nein. „Mir gefallen Menschen, die Grundsätze haben“, sagt Uli Hoeneß. „Und die hat er.“

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