Friday, 19th April 2024
19 April 2024

Hilfe für Heim- und Pflegekinder

Der Staat fordert beim Start ins Berufsleben einen Großteil der Pflegekosten zurück. Das Land Rheinland-Pfalz will das ändern.

Jetzt teilen:

MAINZ – Die Mutter ist Alkoholikerin, der Vater gewalttätig. In anderen Fällen sind die Eltern bei einem Unfall gestorben. Oder sie waren zur Zeit der Geburt schlicht noch nicht reif genug für die Verantwortung: Kinder, die unter solchen Umständen aufwachsen, haben es schwer. Schaffen sie es gegen alle Widrigkeiten, bauen sich eine solide Existenz auf und verdienen sich erstes eigenes Geld, dann kommt der Staat. Doch statt zu gratulieren fordert er drei Viertel wieder ein. Diese Praxis soll von Rheinland-Pfalz ausgehend nun überdacht werden.

5300 Kinder und Jugendliche leben in Rheinland-Pfalz in Pflegefamilien, teilt das Familienministerium mit. Die Pflegefamilien erhalten dafür Geld. Das holt sich der Staat zurück, wenn die Kinder älter werden: Jobben sie oder beginnen eine Lehre, dann müssen sie drei von vier Euro abgeben. Das trifft nicht nur Kinder in Pflegefamilien, sondern auch welche, die in Heimen leben. Muss das sein? „Unsere sozialen Sicherungssysteme funktionieren nur mit Kostenbeiträgen“, sagt Familienministerin Anne Spiegel (Grüne). Es sei jedoch ungerecht, dass Kinder aus Heimen oder Pflegefamilien mit dem ersten Tag der Volljährigkeit bestraft würden für etwas, für das sie nichts könnten: „Nämlich in einem staatlichen System aufzuwachsen.“

Wink: Mehrwert sei also verschwindend gering

Den Nutzen in Frage stellt der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, Steven Wink: „Ein Großteil der Beiträge wird für die Erhebungs- und Verwaltungskosten aufgewendet.“ Der tatsächliche Mehrwert sei also verschwindend gering. Für die Jugendlichen habe die Regelung jedoch fatale Folgen, sagt Spiegel. Gerade an der Schwelle zur Selbstständigkeit: „Sie haben weniger Freiheiten in der Berufswahl und der Wohnortswahl, da sie finanziell in Bedrängnis stehen.“ Schon den Führerschein zu machen, werde so schwierig. Neben solchen praktischen Effekten drücke die Regelung auch auf die Motivation, findet Wink: „Ihnen wird der Eindruck vermittelt, dass sich Arbeit nicht lohnt.“ Ziel der Politik müsse es sein, jungen Menschen den Weg in ein geregeltes Leben zu ebnen. „Die Kostenbeiträge bewirken aber das Gegenteil.“

Kommentare

Mario Thurnes

Mario Thurnes zu Pflegekindern

Die letzte große Koalition in Berlin hatte sich schon einmal mit dem Thema beschäftigt. Als das Kinder- und Jugendhilfegesetz überarbeitet wurde, haben SPD und Union darüber verhandelt, die Quote zu senken. Statt drei von vier Euro sollten die Heim- und Pflegekinder nur noch zwei von vier Euro abgeben müssen – doch darauf konnte sich das dritte Kabinett Merkel letztlich nicht einigen.

Von Rheinland-Pfalz geht nun eine Initiative aus, diese Regelung nachträglich doch noch durchzusetzen. Die Koalition aus SPD, FDP und Grünen möchte das im Rahmen des „Starke-Familien-Gesetzes“ erreichen. Klappt das nicht, verspricht Spiegel: „Wir werden uns auch weiterhin mit Nachdruck für eine Absenkung der Kostenbeiträge der jungen Menschen in Pflegefamilien und Heimen einsetzen.“

By:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert