Thursday, 21st March 2024
21 März 2024

Wer bezahlt, bestimmt – auch bei Imamen?

Österreich hat die Finanzierung von islamischen Geistlichen durch das Ausland untersagt. Für Wirbel sorgen jetzt erste Prozesse gegen Imame, die türkisches Geld erhalten. Der Modellcharakter des Vorgehens ist umstritten.

Imame in Österreich – hier bei der Unterzeichnung einer Deklaration gegen Extremismus 2017

In Österreich sorgt die Auslandsfinanzierung von Moscheen für hitzige Wortgefechte. Spätestens die Schließung von sieben Moscheen und die Ausweisung dutzender Imame im vergangenen Jahr haben die Emotionen hochkochen lassen. Begründet wurde das harte Vorgehen durch die österreichische Regierung mit dem Verdacht, die muslimischen Geistlichen würden direkt durch die türkische Religionsbehörde bezahlt. Seit 2015 ist dies durch ein neues Islamgesetz im Alpenland untersagt. Darin ist festgehalten, dass eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannte Religionsgemeinschaft die laufenden Kosten der Seelsorge aus inländischen Finanzquellen decken muss. Und die Muslime in Österreich sind, im Gegensatz zu Deutschland, seit 100 Jahren als „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ gesetzlich voll anerkannt.

Bewusster Konfrontationskurs gegen Muslime? 

Gegen die Regelung sind zahlreiche Verfassungsklagen anhängig, auf deren Entscheidung viele gespannt warten. Der Vorwurf der Kritiker lautet, der österreichische Staat mische sich in die inneren Angelegenheiten der Gläubigen ein. Die konservativ-rechtspopulistische Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stören die Klagen allerdings wenig. Dort wurde begonnen, das Gesetz nach seinem Wortlaut umzusetzen. 60 der insgesamt 260 Imame in Österreich werden überprüft. Professor Georg Lienbacher, Mitglied des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs, erläutert im Gespräch mit der DW, dass nach dem Gesetzestext auch die Bezahlung eines „ordentlichen Seelsorgers“ im Inland zu erfolgen habe. In Deutschland fordern nicht wenige Politiker aus dem konservativen und rechtspopulistischen Lager, dass Deutschland sich daran ein Beispiel nimmt. Aber auch in anderen politischen Lagern wird Handlungsbedarf gesehen.  

Österreichs Regierung will Härte zeigen: (von rechts) Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), Vize-Kanzler Karl-Heinz Strache (FPÖ) und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

Volker Beck, langjähriger Bundestagsabgeordneter der Grünen und lautstarker Kritiker der muslimischen Verbände in Deutschland, fordert den Bundestag zum Handeln auf. Im Gespräch mit der DW plädiert er für ein Transparenzgesetz, das Nichtregierungsorganisationen und Religionsgemeinschaften gleichermaßen erfasst. Das könne Finanzströme aus dem Ausland offen legen – was dringend geboten sei: „Wir wissen bei der Türkei einigermaßen, wie die Auslandsfinanzierung funktioniert. Was die arabischen und die nordafrikanischen Staaten hier treiben, das wissen wir nicht.“

Die heikle Forderung nach mehr Offenheit 

Brisant an einem solchen Vorschlag ist jedoch, dass ausgerechnet deutsche Spitzenpolitiker sich in der Vergangenheit lautstark gegen ähnlich-lautende Gesetze in Israel oder Russland verwahrt haben. Dort wurden ausländische Nichtregierungsorganisationen in unterschiedlicher Art und Weise gezwungen, ihre Finanzquellen offenzulegen. Beck sieht darin keinen Widerspruch, denn gerade die russische Gesetzgebung sei offensichtlich politisch motiviert gewesen, weshalb sich ein Vergleich verbiete. In Russland würden als politisch eingestufte Nichtregierungsorganisationen mit ausländischen Geldgebern gezwungen, sich auf Anordnung des Justizministeriums öffentlich als ausländischer Agent zu deklarieren. „Das ist nicht erforderlich, um Transparenz zu machen“, sagt Beck. Da sei es doch eher darum gegangen, Menschenrechtsorganisationen zu diffamieren. 

Wie wichtig eine Kontrolle der ausländischen Finanzströme sei, macht Beck am „Doppelcharakter“ der islamischen Organisationen fest. „Viele der Moscheeverbände, die wir hier haben, arbeiten in den Heimatländern als politische Bewegung oder als politische Partei“. Als Beispiel nennt er die in Köln ansässige Organisation ATIB, die auf Deutsch als „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ firmiert. ATIB wird vielfach als deutscher Arm der „Graue Wölfe“-Bewegung bezeichnet, die in der Türkei als nationalistische Partei gilt. Als weiteres Beispiel nennt Beck die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, ebenfalls mit Sitz in Köln. Sie sei in der Türkei ursprünglich Teil der Erbakan-Partei gewesen. Der türkische Politiker Necmettin Erbakan gilt als politischer Mentor des heutigen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seiner Partei AKP. Milli Görüs ist in Deutschland seit vielen Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, zeitgleich aber Mitglied des Islamrats für die Bundesrepublik.

Die Vertreter von islamischen Verbänden zu Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Januar 2018.

Kein „Sondergesetz für Muslime“

Im Gespräch mit der DW zeigt sich der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland, Burhan Kesici, irritiert. Die Diskussion zeige, wie wenig die deutsche Öffentlichkeit über die „islamische Infrastruktur“ wisse. „Ich kenne keine einzige Moschee, die vom Ausland finanziert wird“, behauptet Kesici. Er spricht von Einzelfällen, wenn Gehälter für Imame aus der Türkei fließen und macht einen Unterschied zwischen der Bezahlung von Imamen und den laufenden Kosten für den Betrieb der Moscheen.

„Die Gemeinden in Deutschland finanzieren sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden zu 100 Prozent selber.“ Offizielle Statistiken zu diesem Thema gibt es nicht. Kesici warnt die Bundespolitik davor, wie im Fall Österreichs ein „Sondergesetz für Muslime“ zu machen. „Wenn das allgemein gemacht wird, dann ist das in Ordnung, wenn es speziell nur für Muslime geschehen soll, dann sind wir selbstverständlich dagegen.“

Volker Beck, früher religionspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagspartei

Für Volker Beck ist klar, dass es im Gegensatz zur muslimischen Community kleinere, religiöse Minderheiten aus dem Ausland gebe, die es schafften, sich in Deutschland ganz ohne fremdes Kapital zu finanzieren. „Da muss man den Muslimen sagen, ihr seid groß, ihr könnt das schon selber finanzieren.“ 

In Österreich hat die Debatte zuletzt eine ganz neue Wendung genommen. In einem öffentlichen Hilferuf wandte sich der frischgewählte Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich, Ümit Vural, an die Öffentlichkeit. Österreich habe jetzt nach einer Vielzahl von Ausweisungen nicht mehr genug Imame, um den Moschee-Betrieb aufrechtzuerhalten. 

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