Friday, 19th April 2024
19 April 2024

Extremismus: „Die Marke Deutschland leidet“

Wirtschaft und Verfassungsschutz warnen vor Image-Schäden für den Standort Deutschland. Der Grund: Extremismus jeglicher Couleur. Auch in den Unternehmen selbst lauern Gefahren.

„Abfackeln“ gilt in linksextremistischen Kreisen als symbolträchtiger Angriff auf das verhasste „System“ (Archivbild)

Brennende Autos, Anschläge auf Bahnstrecken, Morddrohungen gegen Manager – das Repertoire extremistischer Attentäter ist gewaltig. Es könnte Investoren und Facharbeiter abschrecken. Diese Sorge liegt am Mittwoch wie ein Schatten über der Berliner Sicherheitstagung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW). Auf dem Programm stehen Vorträge über „Unternehmen als Ziele linksextremistischer Agitation“ oder „Reichsbürger und Selbstverwalter als Problem für Unternehmen“.

Unter den Experten sind Verfassungsschützer, Leiter für Konzernsicherheit und Islam-Wissenschaftler. Was sie zu berichten haben, dringt allerdings nur teilweise nach außen. Denn Journalisten sind nur vormittags zugelassen, als die Gastgeber reden: ASW-Chef Volker Wagner und BfV-Vizepräsident Sinan Selen. Zur Begrüßung witzelt Wagner: „Vor ihnen steht der Vertreter des Großkapitals.“ Eine Anspielung auf handelsübliche Worthülsen, mit denen auf linksextremistischen Internetseiten rhetorisch auf das Feindbild „Kapitalist“ geschossen wird.   

Extremisten im Hambacher Forst?

Aber, ergänzt Selen: Man könne wie unter einem Brennglas sehen, „wie aus Gedanken Worte werden und aus Worten Taten“. Der Mann vom Verfassungsschutz redet in diesem Moment zwar von Rechtsextremisten, seine Analyse gilt aber gleichermaßen für Linke und Islamisten. Selens Horror-Szenario mündet in den Satz: „Die Marke Deutschland leidet.“ Dabei mache uns die offene Atmosphäre in Deutschland attraktiv, so Selen. Dennoch befürchtet er, das gute Image könnte Schaden nehmen.

Extremisten, die sich unter friedliche Demonstranten mischen? Verfassungsschutz und Wirtschaft reden jedenfalls davon

ASW-Chef Wagner teilt diese Sorge und verweist auf namhafte Opfer von Brandanschlägen: Amazon, Deutsche Bahn und sein früherer Arbeitgeber Telekom. Von dort wechselte er 2018 zum Chemie-Konzern BASF, wo er für die Unternehmenssicherheit verantwortlich ist. Nach seiner Einschätzung verschwimmen die Grenzen zwischen Extremismus und bürgerlichem Protest mitunter. Als Beispiel dienen ihm die teilweise gewalttätigen Proteste im Hambacher Forst, den der Energie-Konzern RWE roden lassen wollte.

Wenn der Kollege von „Umvolkung“ schwadroniert

Es sind aber nicht nur weithin sichtbare Exzesse oder Anschläge, die der deutschen Wirtschaft Probleme bereiten könnten, glauben Wagner und Selen. Auch in den Unternehmen selbst lauern aus ihrer Sicht Gefahren. Etwa wenn radikalisierte Mitarbeiter in den Bürgerkrieg nach Syrien reisen, um sich dem sogenannten Islamischen Staat (IS) anzuschließen. Verfassungsschutz-Vize Selen denkt aber auch an die „Neue Rechte“. Die käme nicht mehr in „Springerstiefeln“ daher, sondern im „intellektuellen Gewand“ und schwadroniere von „Umvolkung“.

Verfassungsschutz-Vize Sinan Selen (l.) und ASW-Chef Volker Wagner sorgen sich um den Standort Deutschland

Extremisten können also auch den Betriebsfrieden stören, will Selen damit sagen. Und er ist froh, dass es in Deutschland keine Bewegung wie die Gelbwesten in Frankreich gibt. Unter die Demonstranten mische sich ein „randalierender Mob, der durch die Straßen zieht“. Die Ausschreitungen hätten laut ASW-Chef Wagner aber durchaus Auswirkungen auf Deutschland: im Güterverkehr.

ASW-Chef Wagner: „Es kann jeden treffen“

Um sich besser vor Extremismus jeglicher Couleur zu schützen kooperiert die Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft aber nicht nur mit dem Verfassungsschutz. Weil das Phänomen grenzüberschreitend ist, versucht die ASW, international dagegen anzukämpfen. Entsprechende Vereinbarungen wurden schon mit Frankreich, Italien und Großbritannien geschlossen.

Der deutsche Verfassungsschutz sieht sich dabei mit den Worten seines Vize-Präsidenten als „Dienstleister“. Soll heißen: Er gibt Unternehmen gerne Tipps, woran man Extremisten erkennen kann. Wie die Firmen darauf reagieren, ist deren Sache. ASW-Chef Wagner rät dazu, Warnungen ernst zu nehmen. Denn: „Es kann jeden treffen.“

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